Die Ruhr Nachrichten haben mir fünf Fragen zur aktuellen Diskussion zur Reform des Abtreibungsparagrafen 218 gestellt. Hier sind meine Antworten:
Ruhrnachrichten: „Was halten Sie von der Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 218?“
Michael Breilmann: Ich lehne eine Abschaffung ab. Es geht bei der Betrachtung des § 218 StGB nicht nur einseitig um die Selbstbestimmung und das Recht der Frauen auf Abtreibung, sondern auch um ungeborene Kinder, die ein grundrechtlich geschütztes Lebensrecht haben.
Unser Grundgesetz gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor das ungeborene Leben zu stellen. Verfassungsrechtlich wird diese Grundpflicht aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 des Grundgesetztes abgeleitet.
1992 hat das Bundesverfassungsgericht einen guten Weg gewiesen, wie ein gesetzgeberischer Mittelweg zwischen den verfassungsrechtlich fundierten, aber nicht einschränkungslos gewährleisteten Autonomieansprüchen von Frauen einerseits und dem verfassungsrechtlich verlangten Schutz des ungeborenen Lebens andererseits aussehen kann. Diese Vorgaben finden sich mit einigen Modifikationen in der derzeitigen Gesetzeslage wieder.
So ist die Kombination von Fristen- und Beratungsmodell in § 218a Abs. 1 StGB wesentlicher Bestandteil des verfassungsrechtlichen Ausgleichs zwischen den Grundrechten des ungeborenen Lebens und der Frau und sollte beibehalten werden.
Insbesondere einen Wegfall der Beratungspflicht halte ich für falsch. Die Beratung ist keine Einschränkung der Selbstbestimmung, sondern eine Sicherstellung. Sie schafft die Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen eine autonome und informierte Entscheidung treffen können.
Ruhrnachrichten: „Welchen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen würden Sie sich wünschen? Sollten Abbrüche weiter illegal bleiben?“
Michael Breilmann: Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft vorgenommen wird. Die schwangere Frau muss sich außerdem zuvor beraten lassen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung und bei Gefahren für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren. Eine grundsätzliche Legalisierung von Abtreibungen würde dem Lebensrecht des Kindes entgegenstehen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuwiderlaufen.
Es wäre ein Fehler, den bestehenden, guten Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland aufzukündigen, denn dieser Kompromiss funktioniert. Ich halte auch die häufig geäußerte These, dass § 218 StGB schwangere Frauen oder Ärztinnen und Ärzte „kriminalisiert.“ für falsch. § 218a StGB schließt diese Kriminalisierung zu Recht explizit aus. Ich würde mir auch wünschen, dass wir gesellschaftlich noch mehr auf Beratung und damit auf Lösungen und Hilfen zum Leben des Kindes setzen.
Ruhrnachrichten: „Besonders in Kirchenkreisen wird das Thema immer wieder kontrovers diskutiert. Kann man Christ sein und gleichzeitig Schwangerschaftsabbrüche befürworten?“
Michael Breilmann: Ich verbinde mit dem „C“ in Namen meiner Partei das christliche Menschenbild, das für uns ja ganz konkrete Ableitungen bereithält, da der Staat und die Menschen generell immer nur die vorletzten Antworten geben können. Dieses Menschenbild führt auch zu der Leitfrage, wie wir den Wert des menschlichen Lebens an dessen Beginn und Ende schützen.
In diesem Sinne empfinde ich es als eine christliche und verfassungsrechtliche Notwendigkeit, dass sich starke Stimmen aus der Gesellschaft und den Kirchen für das ungeborene Leben einsetzen.
Strafrechtliche Regelungen dürfen nie die einzige Lösung sein. Ich finde es wichtig, dass die Kirchen für Frauen und deren Angehörige in solch schwierigen Konfliktsituationen da sind, beistehen und dies unabhängig davon, wie sich die Frauen am Ende entscheiden. Denn auch die geltende Rechtslage lässt es in bestimmten Fällen zu, dass die Entscheidung einer Frau für eine Abtreibung von so schwerwiegenden individuellen Gründen getragen wird, dass das Lebensrecht des Ungeborenen hinter diese zurücksteht. Auch aus meinem christlichen Verständnis heraus kann ich solche Entscheidungen von Frauen, die dabei vor einer schweren Gewissensentscheidung stehen, nachvollziehen.
Ruhrnachrichten: „Wie schätzen Sie die gesellschaftliche und politische Akzeptanz für eine mögliche Liberalisierung der Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen ein?“
Michael Breilmann: Eine Streichung des § 218 oder Änderungen dazu können meiner Meinung nach dazu führen, jene gesellschaftlichen Gräben aufzureißen, die 1995 durch den sog. „großen Kompromiss“ zwischen der CDU/CSU, SPD und FDP geschlossen wurden.
Die derzeitigen Vorschläge zur Änderung der geltenden Rechtslage stehen in offenem Widerspruch zu den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes. Für mich ist der bisherige Konsens ein hohes Gut. Diesen gilt es, angesichts der schweren Bedeutung der abzuwägenden Grundrechtsgüter, zu schützen. Den Wert dieses Kompromisses sollten wir als Politik auch wertschätzen. Und ich glaube, dass unsere Gesellschaft dies mehrheitlich auch tut und ihn akzeptiert. Kompromisse gehören zum Wesenskern einer Demokratie. Als kompromisshafte Regelungen zeigt die derzeitige Rechtslage einen verfassungsrechtlich vorgeprägten Mittelweg auf, der unser Land und unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten befriedet hat.
Ruhrnachrichten: „In Polen oder den Vereinigten Staaten hat das Thema einen großen Einfluss auf Wahlen gehabt. Welche Bedeutung messen Sie dem Thema bei?“
Michael Breilmann: Nach meiner Auffassung sind aufgrund der geltenden Regelungen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland jene gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen ausgeblieben, die in Ländern mit einseitigeren, weniger kompromisshaften Regelungen zu beobachten waren und sind. Die weltpolitische Lage spitzt sich mit den Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten weiter zu. Die Krisen in der Welt nehmen zu und wir erleben deswegen auch in unserem Land eine Verunsicherung in der Bevölkerung. Das Thema Schwangerschaftsabbruch sollte nicht zu Wahlkampfzwecken genutzt werden, da dann eine Spaltung und weitere Verunsicherung droht. Im Übrigen habe ich die starke Befürchtung, dass sich auch bei diesem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema die Ampelkoalition wieder in einen neuen Regierungsstreit stürzt.